Verbandsversammlung am 15. März 2013 Redebeitrag von Wolfgang Freye zum TOP 2.24.1 Resolution der Verbandsversammlung ?Aufgaben konkretisieren- Strukturen optimieren- Metropole stärken?

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,

ich freue mich außerordentlich, dass zu einem Tagesordnungspunkt, den DIE LINKE beantragt hat ? denn wir waren es ja, die den Tagesordnungspunkt 2.24 Änderung des RVR-Gesetzes ursprünglich beantragt haben ? schon im Vorfeld ? bevor wir unsere Position dargelegt haben ? so eine rege Diskussion stattfindet.

 

Wir finden das gut und wir finden diese Diskussion überfällig. Genau deshalb haben wir unseren Antrag vom April 2011 wieder vorgelegt, weil wir denken, dass es höchste Zeit ist, diese Entscheidung, die heute hier ansteht, endlich zu treffen.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,

eins macht man sich oft ja gar nicht richtig klar: Der Regionalverband Ruhr wird, wenn man die Vorgängerverbände hinzuzieht, in sieben Jahren 100 Jahre alt. Er ist der älteste Kommunalverband Deutschlands, der aus Planungsgründen entstanden ist. Der entstanden ist, weil diese Region ja in der Zeit der Industrialisierung als völlig zersiedelte Region entstanden ist. Die Siedlungen haben sich um die jeweiligen Zechen herum gebildet. Dörfer wurden plötzlich zu Städten, die keine richtige Anbindung hatten. Da musste eine Planung entwickelt werden, eine Art Regionalplan entstehen, der Ordnung schafft. Das war der Hintergrund für die Gründung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk, die sicherlich einige von uns dann hier in der Verbandsversammlung noch feiern werden.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,

die Gründung des Siedlungsverbandes war auch aus sozialen Gründen wichtig. Denn sie ist in ganz engem Zusammenhang mit der Gründung der Emschergenossenschaft kurz danach zu sehen. Diese sorgte für die Kanalisation der Emscher. Damit half sie mit, die brutalen Typhusepidemien, die jahrelang den Norden des Ruhrgebietes erschüttert haben, zu beseitigen.

Tatsächlich geht es bei der Diskussion in den letzten Jahren in gewisser Weise darum, dem RVR als kommunalen Verband im Ruhrgebiet Kompetenzen wieder zuzuschreiben, die er zu großen Teilen schon hatte. Die gesetzlichen Regelungen von 1975 haben dem RVR die Planungsrechte wieder genommen. Mit der Änderung des RVR-Gesetzes von 2009 hat der Verband die Regionalplanungsaufgabe wieder erhalten.

Wir finden, das macht die Resolution, die heute vorliegt, deutlich und das machen auch die Anträge, die wir in den letzten Jahren dazu gestellt haben, deutlich. Wir sind dafür, dass der RVR gestärkt wird und dass er zusätzliche Kompetenzen erhält.

Um auf die Resolution zu kommen, die hier nun von drei Fraktionen vorgelegt wurde: Aus unserer Sicht ist es schon lange überfällig, die Übernahme von Auftragsangelegenheiten für die Region durch den RVR als Zweckverband zuzulassen und zu fördern. Das ist zum Beispiel bei der Geo- Datenverwaltung ganz nahe liegend, teilweise wird diese Aufgabe auch schon wahrgenommen. Es ist auch auf dem Gebiet des Verkehrs, der eines der größten Probleme der Region ist, unabdingbar, dass der RVR in Planungen ?einsteigt?. Wir brauchen integrierte Verkehrskonzepte, die die verschiedenen Arten der Fortbewegung ? öffentlicher Nahverkehr und motorisierter und nicht motorisierter Individualverkehr ? zusammen führen und zusammen denken.

Wir brauchen insgesamt eine politische Stärkung der Region und dazu dient auch die von uns seit langem vertretene Forderung nach einer Direktwahl der Mitglieder der Verbandsversammlung. Und ich füge ausdrücklich hinzu: Nach Möglichkeit auch die Direktwahl der Verbandsspitze. Dies würde praktisch dazu führen, dass der Verband insgesamt politisch aufgewertet werden würde und ein größeres politisches Gewicht bekommen würde.

In diesem Sinne stimmen wir der Resolution grundsätzlich zu und werden uns ihr anschließen.

Allerdings finden auch wir das Verfahren unglücklich. Da ist viel Wasser im Wein. Wir haben mehrfach Anträge zum Thema gestellt. Diese Anträge wurden mehrfach verschoben wegen Beratungsbedarfs der SPD. Bei Fragen wie der Direktwahl war das Verhältnis hier in der Verbandsversammlung lange Zeit ganz klar 4:1: Die einzige Partei, die keine Direktwahl wollte und die damit Probleme hatte, war die SPD. Diese stellt sich jetzt aber an die Spitze der Bewegung und reklamiert das Thema für sich. Andere, die jahrelang dafür eingetreten sind, werden noch nicht einmal fragt.

Ich finde das einfach ärgerlich und es ist auch nicht sonderlich glaubwürdig, zumal dieses Vorgehen offensichtlich vor allem parteitaktischen Überlegungen entspringt. Die Bundestagswahl steht an. Es gibt Bestrebungen kleinere Parteien möglichst aus politischen Entscheidungen heraus zu halten usw. und sofort.

Ich glaube, dass eine solche Ausgrenzung keinen Erfolg haben wird. Ich glaube auch, dass es der Sache letzten Endes nicht dienlich sein wird. Von der Sache her, denn das machen die Äußerungen der Regierungspräsidenten doch bereits jetzt schon deutlich, wird auf Landesebene nur dann etwas zu bewegen sein, wenn die Region und das Regionalparlament hier mit einer Stimme sprechen und deutlich macht: Wir wollen hier eine Kooperation, die alle mitnimmt und alle beteiligt und die praktisch Positionen für die Region gemeinsam nach vorne bringt und nicht in irgendwelchen politischen Zwistigkeiten mündet.

Ich will noch eine andere Frage ansprechen. Die Resolution ? ich habe das nicht durchgezählt ? sagt oft ?Metropole Ruhr stärken?, ?Metropole Ruhr fördern? usw. Sehr oft wird die Floskel ?Metropole Ruhr? verwendet. Wir haben dazu keinen Änderungsantrag gestellt, das haben Sie ja gesehen und wir wollen auch jetzt nicht den Antrag stellen, die Bezeichnung in ?Region Ruhr? zu ändern, wie wir das schon mehrfach gemacht haben.

Aber ich will auf folgendes hinweisen: Es gibt eine Tendenz hier in der Region, die wir nicht billigen. Diese Tendenz besteht darin, praktisch zu meinen, wenn man das Schild ?Metropole Ruhr? hochhält oder die Fahne ?Metropole Ruhr? hisst, dann ist man schon eine Metropole.

Wenn man mal in die Fachliteratur hineinschaut, wie zum Beispiel in das Buch ?Viel erreicht ? wenig gewonnen? von den Professoren Bogumil; Strohmeier und anderen Wissenschaftlern der Ruhr-Universität Bochum, dann werfen diese vielmehr die Frage auf, ob das Ruhrgebiet denn schon eine Metropole ist. Diese Frage ist erlaubt, sie ist zulässig und sie muss auch gestellt werden.

Sie weisen ausdrücklich darauf hin, dass man den Weg zur Metropole ? ich darf zitieren: ?? nicht dadurch erfolgreich begehen kann, dass man sich als Ruhrstadt oder Metropolenregion Ruhr deklariert, ohne an der Realität viel zu ändern.? Mit anderen Metropolen, im Vergleich mit Paris, London, München, Zürich, New York, San Francisco oder Sydney hat die Metropole Ruhr tatsächlich wenig gemeinsam. Sie ist keine in der Weise gewachsene und weltweit vernetzte Region, wie es Metropolen kennzeichnet. Und deswegen wäre es falsch und zu ambitioniert, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler, sich mit diesen Städten zu vergleichen.

Sie kommen deshalb zu der Schlussfolgerung: ?Die Metropole Ruhr hat keine Tradition als urbanes Zentrum, sondern eine industrielle Tradition. Sie muss aus dieser Tradition heraus eine Urbanität entwickeln und zwar eine Urbanität, die nicht der Geschichte entspringt, sondern eine, die dem 21. Jahrhundert entspricht und auf die Zukunft ausgerichtet ist. Ihre Chancen und Visionen sind jedoch nur realisierbar, wenn es gelingt, im Ruhrgebiet einen Prozess kollektiven Lernens in Gang zu setzen, in dem herausgearbeitet wird, mit welchen Mitteln die beschriebenen Ziele von der heutigen Situation des Ruhrgebiets aus erreicht werden können und welche Anforderungen dies an das Handeln der Akteure im Ruhrgebiet stellt.?

Liebe Kollegen und liebe Kolleginnen,

wir brauchen Diskussionen um Fragen wie:

- Was heißt eigentlich, was ist eigentlich eine ?polyzentrische Metropole?, ?polyzentrische Region??

- Wie kann man gewährleisten, dass tatsächlich ein Ausgleich in der Region stattfindet?

- Wie kann man vermeiden, dass ein städtisches Zentrum ? früher war es der Fürst, der sagte, wo es lang geht ? versucht zu sagen, wohin die Reise geht und alle anderen sollen sich darum sammeln?

Das funktioniert hier nicht. Da müssen wir andere Ideen und andere Konzepte entwickeln.

Ich würde mir wünschen, dass über solche Fragen auch hier im RVR viel mehr geredet und diskutiert wird, wie man was entwickeln kann, als die ?Metropole? wie eine Monstranz vor sich herzutragen.

Aber liebe Kollegen und liebe Kolleginnen, ich habe ja schon gesagt, wir stellen dazu heute keinen Änderungsantrag.

Wir haben allerdings zu anderen Fragen Änderungsanträge gestellt. Insofern haben wir die Einladung zum Mitmachen, die ja dann auf Nachfrage bei den drei Parteien, die das Papier hier vorgelegt haben, gekommen ist, auch ernst genommen.

Wir haben drei Änderungen beantragt, die ich kurz begründen will.

Wir haben zum ersten gesagt: Wir wollen zu mindestens auch eine Prüfung, inwieweit die Direktwahl der Verbandsspitze möglich ist.

Wir wollen als zweites, was die FDP durchaus richtig angesprochen hat ? das heißt nicht, dass ich alles teile, was Herr Nückel soeben ausgeführt hat, aber in dem Punkt hat er auf ein richtiges Problem hingewiesen ?, genauer geklärt wissen, wie man ein Wahlverfahren für die Direktwahl gestalten kann.

Das Wahlverfahren muss ja einerseits die Mehrheitsverhältnisse hier in der Region widerspiegeln, obwohl ? was auch aus unserer Sicht völlig korrekt ist ? die Hauptverwaltungsbeamten geborene Mitglieder der Verbandsversammlung sind. Es muss also ein Verhältnisausgleich erfolgen. Es muss aber auch die regionale Verteilung gesichert sein. Wenn das an der Stelle im Text der Resolution, bei der es um die Verhältniswahl geht, so gemeint ist, ist das o.k. Aber um das deutlicher zu machen, haben wir diese mehr redaktionelle Änderung beantragt, wie sie in unserem schriftlichen Antrag nachzulesen ist.

Schließlich haben wir beantragt den Punkt ?Besoldung der Verbandsspitze? aus der Resolution zu streichen. Wir sind eher erstaunt, dass die FDP, dass auch sagt - tatsächlich tritt die FDP doch eher für reichliche Gehälter in gewissen Positionen ein.

Ich finde, allein der Gedanke, der in der Resolution entwickelt wird, nämlich der Gedanke, dass Augenhöhe durch gleiche Besoldung hergestellt wird, ist nicht nachvollziehbar. Diese Aussage muss man sich mal vorstellen: Wir leben doch in einer kapitalistischen Gesellschaft, aber wir leben auch in einer demokratischen Gesellschaft ? ich jedenfalls bin davon überzeugt, dass wir in einer solchen leben. In einer demokratischen Gesellschaft zu sagen, die Augenhöhe wird durch das Gehalt oder durch Besoldung hergestellt, das kann es doch nicht sein!

Mit einer solchen Aussage ? gerade auch mit der Begründung ? sollten wir nicht an die Öffentlichkeit gehen.

Ich werbe gerade als Betriebsrat in einem großen Metallbetrieb immer dafür, dass jede/r Kollege/in immer gleich akzeptiert wird, egal ob er/sie in der untersten Lohngruppe ist oder ob er/sie Manager/in ist. Ich werbe dafür, dass er/sie gleich behandelt wird, die gleiche Würde hat usw. Deshalb finde ich die Begründung fraglich und ich finde es auch fraglich, diese Frage so aufzuwerfen.

Ich will damit nicht gegen eine gerechte, korrekte Bezahlung sprechen. Ich finde auch, da sollte man etwas machen. Aber ich finde es einfach ein falsches Signal, dass so in die Resolution hinein zu schreiben.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,

in diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unseren Änderungsanträgen.

Wir werden der Resolution zustimmen und wir werden das auch nicht von der Zustimmung zu unseren Anträgen abhängig machen, weil wir die Sache einfach für zu wichtig halten und weil wir es wichtig finden, dass diese Region schneller vorankommt.

Deshalb finde ich auch, dass das Verfahren, das die FDP in ihrem Antrag hier vorschlägt, problematisch ist. Auch uns liegt daran, dass Änderungen am RVR- Gesetz, soweit dies irgendwie möglich ist, bereits zur nächsten Kommunalwahl gelten. Ich hoffe sehr und ich möchte auch, dass wir dafür kämpfen, dafür als Verband eintreten, dass zur nächsten Kommunalwehl tatsächlich schon eine Direktwahl möglich ist. Das wäre ein echter Schritt vorwärts.

Und manchmal sind echte Schritte, echte Bewegungen wichtiger als jedes Programm.