Verbandsversammlung am 20.Juni 2011- Redebeitrag von Olaf Jung zum TOP 1.5 - 7.Änderung des Regionalplans für den Regierungsbezirk Münster (Teilabschnitt Emscher- Lippe) Kraftwerksstandort in der Stadt Datteln

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,

Ein frischer heimischer Wind wehte im Mai dieses Jahr, bei meinem letzten Besuch, über den Dortmund-Ems-Kanal. Daneben ragte das Kraftwerk Datteln IV - als milliardenschwerer  Sachzwang - zwischen Waltrop und Datteln stolze 180 m in die Höhe. Das rechtswissenschaftliche Gutachten des Münsteraner Privatdozenten Martin Kment, nach dem die Fertigstellung des Kraftwerks Datteln IV rechtlich unbedenklich sei, war erst wenige Tage vorher öffentlich geworden. Dennoch war ich erstaunt, dass das Kesselhaus kein Stahlgerippe mehr war, wie im April 2010, sondern fast fertiggestellt. Auch andere Kraftwerksteile wiesen deutliche Baufortschritte auf. Schließlich hat E.ON ja nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Monate lang, trotz des Baustopps, munter weiter gebaut ? aber dabei handelte es sich ja nur um rechtlich unbedenkliche ?Wintersicherungsarbeiten? mit etwa 1500 Beschäftigten! Soviel erst mal zu der grünen Wiese.

Sogar in der Süddeutschen Zeitung konnte man lesen, im Fall Datteln sei der Eindruck entstanden, E.ON habe so geplant und gebaut, als befinde man sich in einer Bananenrepublik, nicht in Nordrhein-Westfalen. Das Planungsrecht wurde massiv gebeugt. Erst das Oberverwaltungsgericht hat dieses Projekt gestoppt. Wir verdanken das den Anwohnerinnen und Anwohnern. Sie haben sich nicht einschüchtern lassen. Ein Beispiel, das vielen Bürgerinnen und Bürgern Mut macht in unserem Land!Die alte Landesregierung hat dann versucht, das Planungsrecht zu ändern. Nach dem Motto - was nicht passt, wird passend gemacht. Was ist das nur für ein Rechtsverständnis?

Das dann zwischen SPD und Grünenim RVR ausgehandelte Vorgehen, die Entscheidung über die Einleitung eines Zielabweichungsverfahrens scheinbar objektiven Gutachtern zuzuschieben, ist ein fauler Kompromiss. Die Grünen haben sich hiermit die Möglichkeit geschaffen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, indem sie sich den Resultaten eines vorgeblich objektiven Gutachtens nicht werden entziehen können. Im Landtagswahlkampf 2010 war das wichtigste Grüne Wahlziel Datteln 4 zu stoppen. Zitat Renate Künast: ?Es wird mit uns keine Koalitionsvereinbarungen geben, in denen dann in NRW neue Kohlekraftwerke gebaut werden, vornean Datteln.? Oder Jürgen Trittin im Mai 2010 in Datteln: ?Jeder, der mit den Grünen koalieren will, muss sich darauf einstellen, dass dieses Investment nicht zu Ende gebaut wird.? Das ist diese Art von Politposse, die die Parteienverdrossenheit weiter verstärkt!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben dasselbe in Hamburg bei der Elbvertiefung und beim Kraftwerk Moorburg gesehen. Bahnchef Grube ist mittlerweile wohl bewusst, dass ihm etwas Besseres als ein Grüner Ministerpräsident in Stuttgart gar nicht passieren konnte, um den unterirdischen Bahnhof zu verwirklichen. Im Wahlkampf springen die Grünen als Umwelt- und Klimaschutz-Tiger und landen in der Regierung als Bettvorleger. Das ist glatter Wahlbetrug! Dafür sollten Sie sich schämen!

Meine Damen und Herren,

kommen wir zum aktuellen Gutachten von Dr. Kment, den die Grünen hier im Ruhrparlament selbst ausgesucht haben. Kment kommt zu dem Schluss, dass die RVR-Vorlage den Beurteilungsmaßstäben des Oberverwaltungsgerichts entsprechen würde und nicht von den Zielen der Landesplanung abweiche, die Vorgaben des Immissions- und Störfallschutzes seien eingehalten und somit lägen die Voraussetzungen zur Fortführung des Verfahrens vor. Ein Zielabweichungsverfahren solle aber Vorsorglich beantragt werden, ganz so als ob hier jemand seinem eigenen Gutachten nicht traut.

Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kommt in seiner Bewertung zu einem anderen Ergebnis ? ich zitiere das mit Ihrer Erlaubnis: ?Das im Auftrag von E.ON erstellte rechtswissenschaftliche Gutachten zu einem möglichen Regionalplanänderungsverfahren für den Kraftwerkstandort Datteln ist kein Freibrief für das umstrittene Kraftwerk.? Der BUND hält außerdem Kernaussagen des Gutachtens für ?juristisch nicht nachvollziehbar?. Zum Beispiel, dass Ziele der Landesplanung nicht tangiert seien.

Meine Damen und Herren,

es war ja kein Zufall, dass die alte Landesregierung lieber den aufwendigeren Weg einer Änderung der Landesplanung gehen wollte, als ein Zielabweichungsverfahren einzuleiten. Sie wusste genau, dass nach dem geltenden Planungsrecht ein Zielabweichungsverfahren nur vertretbar ist, wenn es die Grundzüge der Planung unberührt lässt. Im Fall von Datteln hat das OVG eindeutig hervorgehoben, dass der gewählte Standort unter Immissionsschutz- und Sicherheitsgesichtspunkten schlechter abschneidet als andere ausgewiesene Kraftwerksstandorte.

Schauen wir doch mal in den Koalitionsvertrag zwischen der NRW SPD und Bündnis 90 / Die Grünen in NRW vom Juli 2010: ?Die Landesregierung selbst baut keine neuen Kraftwerke und reißt auch keine begonnenen Projekte ab. Sie wird deshalb den Vertrauensschutz dahingehend gewährleisten, dass Projekte nicht in laufenden Verfahren durch Landesrecht schlechter gestellt werden als zum Zeitpunkt der Antragstellung. Die Landesregierung wird aber auch den Vertrauensschutz für Anliegerinnen und Anlieger nicht verschlechtern und schon deshalb Landesrecht zu Gunsten begonnener Projekte nicht verbiegen.? Hier im RVR bereiten SPD und Grüne, meiner Auffassung nach, genau das Gegenteil davon vor. Die Einleitung eines Zielabweichungsverfahrens, für das es keinen Rechtsanspruch von Seiten Dritter gibt, Dr. Kment hat dass im Planungsausschuss ausdrücklich bestätigt, dient natürlich zur Anpassung der Regional- und Landesplanung.

E.ON hat also keinen Rechtsanspruch auf die Einleitung eines Zielabweichungsverfahrens. Wer der Vorlage der Verwaltung dennoch zustimmt, der trifft eine politische Entscheidung für den Weiterbau des größten Steinkohle-Monoblockkraftwerks in Europa. DIE LINKE macht das nicht mit! Wir wollen, dass alle gleich behandelt werden. Die Anwohner die vor dem OVG den Baustopp für Datteln IV erwirkt haben, haben nach unserer Auffassung den gleichen Anspruch auf Rechtssicherheit wie EON.

Meine Damen und Herren,

lassen Sie mich zusammenfassen. Die Bevölkerung vor Ort, die Bürgerinitiativen und die Umweltschutzverbände sitzen der Grünen Partei im Nacken. Viele sind noch immer der Meinung, die Grünen stünden für konsequenten Umweltschutz und für eine konsequente ökologische Politik, obwohl wir LINKEN diese Rolle längst übernommen haben. Um das Gesicht nicht zu verlieren, haben sich die Koalitionäre entschlossen, sich auf gerichtliche Auseinandersetzungen und rechtliche Gutachten zu beziehen ? so können beide ihrer Klientel sagen, politisch seien sie konsequent auf Linie, aber die rechtliche Lage zwinge nun einmal zu diesem oder jenem.

Das ist ein Ausweichen vor der politischen Auseinandersetzung. Wären die Bündnisgrünen eine konsequent ökologischePartei, dann würden sie sich, wie auch DIE LINKE, konsequent gegen den Bau des Kohlekraftwerks Datteln IV aussprechen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit