DIE LINKE.im RVR: Reden
Besuch von Hakan Koc, stellvertretender Betriebsratsvorsitzende der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann zur aktuellen Situation der Stahlindustrie
Rede von Wolfgang Freye auf der Verbandsversammlung am 27.9.2024
Lieber Hakan Koc, liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch die Fraktion Die Linke begrüßt die Einladung an den Betriebsrat von ThyssenKrupp bzw. HKM in die Verbandsversammlung und wir freuen uns, dass ihr trotz der vielen anderen Aufgaben, die anstehen und trotz der hochkarätigen Gespräche heute die Teilnahme an der Verbandsversammlung möglich machen konntet.
Ich selbst habe vier Jahre in der Stahlindustrie gearbeitet. Das war in den 70-er Jahren bei Peine-Salzgitter, und zwar nicht am Schreibtisch, sondern am Konverter im Conti-Schicht-Betrieb. Rund um die Uhr und auch an den Wochenenden, wie es in Heißbetrieben damals und heute üblich war und das ist harte Arbeit. So ein bisschen weiß ich deshalb, wie es im Stahlbetrieb läuft.
Ich kann einerseits gut nachvollziehen, wie ihr an der Produktion an diesem Standort hängt, die Produktion mit allen Mitteln verteidigt. Andererseits weiß ich auch um die Bedeutung der Stahl-Produktion. Auch die sicher nicht linke Wirtschaftsvereinigung Stahl sagt dazu: „Die Stahlbranche hat als Basisindustrie eine besondere Bedeutung für die deutschen Wertschöpfungsketten … Rund ein Fünftel der Vorleistungskäufe des Maschinenbaus und 12 Prozent des Fahrzeugbaus ... entfallen auf die Stahlbranche ... Mit rund 4 Millionen Beschäftigten stehen die stahlintensiven Branchen für zwei von drei Industriearbeitsplätzen in Deutschland.“
Wenn die Stahlindustrie hier in der Bundesrepublik Deutschland kaputt gemacht wird, dann ist ein großer Teil der Industrie in Frage gestellt. Das ist das große Problem, vor dem wir stehen!
Aus unserer Sicht als Linke gefährdet das gegenwärtige Management die Stahlproduktion hier in Deutschland. Miguel Lopez will offensichtlich Stahl am liebsten loswerden. Er hat ja schon Teile von ThyssenKrupp Stahl verkauft, obwohl die wirtschaftlichen Probleme in der Branche sicherlich nicht von den Beschäftigten zu verantworten sind – ich erinnere nur an das Abenteuer in Brasilien, dass das Krupp-Management zu verantworten hat und von dem man sich bis heute nicht erholt hat.
Es ist schon infam, dass das Krupp-Management, das jetzt auf die Beschäftigten abwälzen will und die eigenen Fehler, die eigenen Unzulänglichkeiten mit Verkaufs- und Schließungsabsichten beantwortet. Und das in einer Zeit – darauf ist eben schon hingewiesen worden – in der es mehr denn je darauf ankommt, dass Belegschaft und Unternehmensleitungen an einem Strang ziehen. In Duisburg werden 2,5 Prozent des CO2-Ausstoßes der Bundesrepublik Deutschlands durch die Stahlwerke erzeugt. Wir haben da also riesige Mengen CO2, die eingespart werden müssen. Gerade in so einer Situation, in der es darum geht, die Transformation der Stahlindustrie in eine grüne Stahlindustrie umzusetzen, ist es notwendig, dass alle gemeinsam handeln und nicht solche Auseinandersetzungen geführt werden, wie sie aktuell bei Thyssenkrupp laufen. So stößt man die Belegschaft vor den Kopf, Arbeitsplätze und ganze Werke werden gefährdet.
Das gefährdet letztendlich die Transformation der Stahlindustrie, die unumgänglich ist.
Die Pläne, die Brechstangenpolitik von Miguel Lopez und den Arbeitgebervertretern im Aufsichtsrat, zu denen auch Siegfried Russwurm gehört, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ist und damit ein hochverantwortlicher Funktionär des Kapitals ist, läuft letzten Endes auf eine Halbierung der Belegschaften hinaus. Ich will ausdrücklich sagen, uns geht es dabei nicht nur um Thyssenkrupp Stahl im engeren Sinne. Uns geht es genauso um die Hüttenwerke Krupp Mannesmann und den Erhalt von Arcelor Mittal. Auch diese Werke dürfen nicht heimlich hinten runterfallen und aufgegeben werden!
Der Umgang mit der Montanmitbestimmung, die ja ein Ergebnis der Erfahrungen mit dem Faschismus und des II. Weltkrieges ist, durch die ThyssenKrupp-Verantwortlichen ist einfach unterirdisch, dass muss man einfach sagen. Das ist Kapitalismus nach Gutsherrenart!
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,
ihr könnt euch sicher sein, dass wir an eurer Seite stehen und wir sind sehr froh darüber, dass auch viele andere an eurer Seite stehen und offensichtlich gewillt sind, dieses Vorgehen zu kritisieren, zu bekämpfen und zu verhindern.
Keine betriebsbedingten Kündigungen! Keine Abkehr vom Weg zum grünen Stahl, für den Bund und Land 2 Mrd. Euro bereits zugesichert haben! Keine Missachtung der Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten! – Diese Forderungen aus der Resolution des Duisburger Stadtrates unterstützen wir selbstverständlich auch.
Wir haben in der Verbandsversammlung schon vorher eine Resolution dazu beschlossen, aber wir hatten uns auch in anderen Zusammenhängen dazu geäußert. Die Verbandsversammlung hat einerseits den Weg zu grünem Stahl sehr deutlich begrüßt und auch gesagt, dass der Kampf um Arbeitsplätze gerechtfertigt ist. Wir sind solidarisch an der Seite der Belegschaft!
Wie der „Aktionsplan Stahl“ des Stahlgipfels gefordert hat, brauchen wir Lösungen beim Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen. Wir müssen über Anti-Dumping-Regeln der EU und grüne Leitmärkte für die Etablierung des grünen, aber in der Perspektive teureren Stahls reden.
Um das vernünftig hinzubekommen, müssen nicht nur Belegschaften und Vorstände an einem Strang ziehen. Es ist aus unserer Sicht auch dringend notwendig, dass Bund und Land sich stärker „einmischen“: Wer Subventionen für die Transformation zu grünem Stahl kriegt, muss auch Beschäftigungsgarantien geben! Im Gegenzug zu den Fördermitteln sollte zumindest eine Beteiligung von Bund und Land in den Aufsichtsräten eingefordert werden bzw. eine Staatsbeteiligung. Wenn die Meyer-Werft systemrelevant ist, dann weiß ich nicht, was die Stahlwerke sind. Da braucht man nicht mehr darüber zu diskutieren, dass die Stahlproduktion enorme wirtschaftlichen Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland hat und erhalten bleiben muss! Auch darüber muss man reden in der gegenwärtigen Situation.
Ich will daran erinnern, dass die IG Metall als Antwort auf die Stahlkrise in der Mitte der 70er Jahre auf dem Gewerkschaftstag 1983 die Vergesellschaftung der Stahlindustrie gefordert hat. Das steht noch heute in den entsprechenden Beschlüssen der IG Metall. Die damalige Kampagne war nicht besonders erfolgreich, aber in der jetzigen, gegenwärtigen Situation müssen wir zumindest über Staatsbeteiligung reden.
Es reicht nicht, nur auf den Vorstand von Thyssenkrupp zu schimpfen. Denn auch Herr Lopez weiß, dass grüner Stahl in wenigen Jahren ein Muss auf dem Weltmarkt ist. Und er weiß, dass die deutsche Stahlindustrie hier auch Vorreiter sein könnte. Es ist eine öffentliche Aufgabe zu verhindern, dass er die Stahlproduktion fallen lässt und nur die anderen Bereiche des Konzerns aus reinen Profitgründen weiterführt. Das sollten wir nicht hinnehmen!
So wird der Spruch „Stahl ist Zukunft!“ mit Leben gefüllt!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!