DIE LINKE.im RVR: Reden

Rede von Wolfgang Freye auf der Verbandsversammlung zur Bewerbung UNESCO Weltkulturerbe "Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet"

Wolfgang Freye

Die Ruhrgebietler*innen haben ein großes Herz, heißt es oft, aber sie haben auch einen Hang dazu, sich selbst ein Bein zu stellen. Das passiert immer dann, wenn es darum gehen muss, dass sie Region wirklich an einem Strang zieht. Und wenn in der letzten Zeit etwas dem Image der Region geschadet hat, dann ist es die Art und Weise, wie die Diskussion um die Bewerbung der Region als UNESCO-Weltkulturerbe geführt wurde.

Da wurde in der Boulevard-Presse vor „zu viel Industriekultur“ gewarnt, vor einem rückwärtsgewandten Image und vor Entwicklungsstillstand durch die Behinderung neuer Gewerbeansiedlungen. Belege? Pustekuchen? Und schließlich haben einige Städte die Bewerbung abgelehnt, während andere sie ebenso wie mehrere Landkreise massiv unterstützt haben.

Für Essen, wo es übrigens noch keinen ablehnenden Ratsbeschluss gibt und wahrscheinlich auch nicht geben wird, kann ich das ja noch nachvollziehen. Prof. Dr. Noll, den ich ja sehr schätze, hat es im Workshop des RVR zum Thema auf den Punkt gebracht, als er sinngemäß sagte: „Wenn die ganze Region Weltkulturerbe wird, fällt ja das Alleinstellungsmerkmal von Zollverein weg.“ Ja, diese Bedenken kann DIE LINKE nachvollziehen, aber absolut nicht teilen.

Denn nicht nur Zollverein, sondern die ganze industrielle Kulturlandschaft Ruhr ist einzigartig und verdient eine Anerkennung als Weltkulturerbe. Sie ist die größte in Europa und stellt für die Region nach wie vor ein international hoch anerkanntes Alleinstellungsmerkmal dar. Entsprechend besuchen viele der Tourist*innen Zollverein als ersten Anlaufpunkt in der Region, aber auch andere Stätten wie den Landschaftspark Duisburg Meiderich, die Zeche Zollern, oder die Folkwang-Wiege in Hagen.

Dabei ist es ja ein Irrtum und schlichtweg falsch, zu meinen, die industrielle Kulturlandschaft Ruhr stehe für Altes, Vergangenes. Spätestens seit der Internationalen Bauaustellung Emscherpark (IBA) in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts steht sie für Wandel und Transformation, das weiß Prof. Dr. Noll am besten. Ich war ja immer skeptisch, aber heute muss man ja sagen, die Neunutzung der alten Anlagen ist dort gelungen und hat eine einzigartige, von Folkwang genauso wie von der RAG geschätzte Industriekulturlandschaft hervorgebracht.

Und jede und jeder, der sich damit befasst weiß, dass die von der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur erarbeitete Bewerbung gerade auf diesen Aspekt der Transformation zielt. „Wandel durch Kultur“ war auch das Motto der Europäischen Kulturhauptstadt Essen für das Ruhrgebiet 2010.

Die Stiftung hat in ihrer Bewerbung eine Auswahl von repräsentativen und beispielhaften Denkmälern, Orten und Landschaftszügen getroffen, die ihren Ursprung vor allem in der Zeit zwischen 1850 bis 1960 haben, lässt ihre Entwicklung aber nicht außen vor.

Die Renaturierung der Emscher ist ebenfalls Teil der Bewerbung. Damit ist eins der wichtigsten Projekte des ökologischen Umbaus ausdrücklich Teil der Bewerbung. Diese Verbindung von Altem und Neuem, der Wandel schafft auch bei der Neu- bzw. Umnutzung und Weiterentwicklung der Standorte die notwendige Flexibilität. Und einschließlich der Pufferzonen sind gerade mal drei Prozent des Gebiets des Regionalverbands Ruhr betroffen, die anderen 97 % können auch weiter ohne Restriktionen entwickelt werden.

Mit der vorliegenden Bewerbung wird die Region gestärkt, sie ist eine große Chance für die Region, nicht nur für die Entwicklung des Tourismus, bei dem Welterbestätten eine besondere Rolle spielen, auch für die Ansiedlung von Investoren und die interkommunale Zusammenarbeit. Diese Chance sollte die Region nicht leichtfertig vertun, denn man kann an dem ungewöhnlichen Zwischenbericht der Jury sehen, dass es außerhalb unserer Region genug Missgunst und auch Konkurrenz gibt.

Ich gehe davon aus, dass wir heute in der Verbandsversammlung einen Beschluss hinkriegen, der es ermöglicht, die Bewerbung weiterzuverfolgen. Uns hätte die Vorlage der Verwaltung gereicht. Der „Begleitantrag“ der Großen Koalition ist ja ein Versuch, Mehrheiten zu sichern, aber er hat natürlich den Beigeschmack der Halbherzigkeit. Und wenn zum Schluss wieder mal das Verfahren gerügt wird, sowohl gegenüber dem Ruhrparlament als auch gegenüber den Kommunen, so stärkt das die Bewerbung nicht gerade.

Ich hoffe, dass ein heutiger positiver Beschluss dennoch den Effekt hat, das Ruder noch herumzureißen. Frau Mehrfeld von der Stiftung hat uns versichert, dass sie sich in der Lage sieht, die Bewerbung zu überarbeiten und ich hoffe, dass sie dann auch vom Land die nötige Unterstützung erhält, die sie für einen Erfolg braucht.