DIE LINKE.im RVR: Reden

Verabschiedung des Regionalplans Ruhr

Rede von Wolfgang Freye auf der Sondersitzung der Verbandsversammlung am 10.11.2023

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,

heute ist der Wunsch im Haus zu feiern groß. Das ist insofern auch nachvollziehbar, weil über den ersten Regionalplan für das Ruhrgebiet seit 1966 entschieden wird. Wenn dieser Regionalplan rechtskräftig wird, haben wir das erste Mal seit vielen Jahren – und das ist schon von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern hervorgehoben worden, – wieder einen Regionalplan der in der Region für die Region gemacht wurde.

Ich will jetzt nicht Worte, wie historisch strapazieren, denn ob etwas historisch ist oder nicht, wird immer die Geschichte entscheiden und nicht wir, auch wenn wir das noch so oft sagen. Aber es ist auf jeden Fall ein wichtiger Eckpunkt. Allerdings muss das kein Qualitätsmerkmal an sich sein. Aber wir sind als Linke Fraktion schon der Ansicht, dass die Verwaltung von Anfang an auf Qualität gesetzt hat. Das hieß vor allem auf eine breite Erörterung der fachlichen Fragen und auf eine große Beteiligungsorientierung. Das waren tatsächlich Thomas Rommelspacher und Martin Tönnes, die den Weg des Regionalplans die ersten Jahre beschritten haben und da wollen wir uns ausdrücklich dem Dank, den die Grünen soeben geäußert haben, anschließen.

Wir meinen, dass das Anliegen der Beteiligungsorientierung, was durch die Beiden in die Diskussion gekommen ist, aber auch die Ziele Freiraumsicherung und Klimaschutz, tatsächlich Maßstäbe gesetzt hat. Maßstäbe hat der Regionalplan auch in anderen Fragen gesetzt. Es gab 10 Fachforen mit Fachberichten. Es gab öffentliche Diskussionsveranstaltungen und nicht zuletzt etliche Gespräche mit allen Planungsbehörden, die man im Vorfeld beteiligt hat. Viele Konflikte konnten dadurch tatsächlich bereinigt werden.

Es wurden neue Instrumente zu Flächenbedarfsberechnung- und beobachtung entwickelt, wie das ruhrFis (Flächeninformationssystem), und die Regionalen Kooperationsstandorte für flächenintensive industrielle und gewerbliche Nutzungen, die als Sachlicher Teilplan bereits schon beschlossen worden sind. Das Ruhrparlament hat damit schon Zeichen zur Sicherung von Industrie- und Gewerbeflächen gesetzt. Damit hat es vor allem dafür gesorgt, dass für die oft brachliegenden, nicht genutzten alten Montanflächen hier im Ruhrgebiet neue Entwicklungsmöglichkeiten gefunden wurden. Auch wenn das zumeist aufwendig ist und zunächst mal die Frage zu klären ist, wie die Altlasten beseitigt werden können, die auf den Flächen zum Teil vorhanden sind. Diese neuen, wichtigen Instrumente des Regionalplans sind in der bundesweiten Diskussion in den ersten Jahren sehr deutlich beachtet worden.

443.709 Hektar hat das Ruhrgebiet und 5,1 Millionen Einwohner:innen. Es ist nach wie vor ein Industriegebiet und es gibt nach wie vor die Flächen für flächenintensive Großvorhaben, die zusammen mit den anderen gewerblichen Flächen einen Anteil an der Gesamtfläche von 6,12 Prozent betragen und damit relativ erstaunlich gering sind. Auf der anderen Seite weist der Plan 48% der Flächen als Freiraum- und Agrarbereiche und 20 % als Waldfläche aus.

Es ging von Anfang an bei diesem Regionalplan auch um Möglichkeiten zur besseren Sicherung der Freiraumflächen und da ist auch aus unserer Sicht tatsächlich ein erster Kritikpunkt zu nennen: Uns ist die Sicherung der Freiflächen in der jetzigen Form im Regionalplan noch nicht ausreichend. Wir hätten uns da mehr vorstellen können. Schließlich macht der RVR für einzelne Städte Klimaanalysen, die gut durch die Kommunen angenommen werden und ihnen nützliche Informationen liefern. Im Zuge der Analysen stellt der Verband immer wieder fest, dass die großen klimatischen Problemzonen im Ruhrgebiet die Ballungszentren der Großstädte sind. Dort werden wir in denen nächsten Jahren bei der absehbaren weiteren Klimaentwicklung, große Probleme mit der Hitzentwicklung bekommen.

So stellt die Klimaanalyse für Essen fest, dass insbesondere die ärmeren Stadtteile davon betroffen sind. Stadtteile, die nicht nur soziale Probleme haben, in denen dann noch die größten Klimaprobleme hinzukommen. Umso wichtiger ist es, dass die Freiraumflächensicherung weiter im Auge behalten wird, dass die Frischluftschneisen und Kaltluftleitbahnen nicht weiter eingeschränkt werden, sondern man auch hier im Verband verstärkt daran arbeitet, sie zu erweitern, keine weiteren Einschnitte vorzunehmen.
Ein weiteres Anliegen unsererseits wäre die Verankerung des Planzeichens für landwirtschaftliche Flächen im Regionalplan gewesen. Das ist ja auch eine Forderung der Landwirtschaftskammer, die diese seit langem erhebt. Erst mit der Verankerung des Planzeichens in den Freiraumbereichen, werden die landwirtschaftlichen Flächen richtig gesichert. Die unteren Planungsbehörden, die Kommunen hätten eine Handhabe, diese Agrarflächen vorrangig vor Eingriffen zu schützen.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen der demokratischen Fraktionen,

mit den genannten Anmerkungen zu den notwendigen Verbesserungen können wir mit dem Regionalplan trotzdem leben. Im Rahmen der kommenden Änderungen lassen sich sicherlich in dieser Richtung Ansätze entwickeln und umsetzen. Es freut mich, dass wir uns da scheinbar in bestimmten Fragen relativ einig sind, dass da was passieren muss. Das habe ich zu mindestens den Reden meiner Vorredner*innen so entnehmen können. So wollen Sie beispielsweise ja auch das Thema der von uns beantragten Aufnahme des Planzeichens Landwirtschaftliche Kernbereiche aufgreifen.

Ein Konflikt ist aber tatsächlich nicht gelöst und nicht entschärft worden. Es ist der Konflikt um den Kiesabbau im Kreis Wesel. Alle anderen Flächen im Ruhrgebiet sind nicht so heftig umstritten, wie der Kiesabbau. Dass dies so ist, können wir auch nachvollziehen, denn der Kreis Wesel ist durch den Kiesabbau vom Flächenverlust in Teilen inzwischen fast so schlimm betroffen, wie die Braunkohleabbaugebiete. Ich weiß, der Vergleich hinkt von den Flächengrößen hier etwas. Aber es ist so, wenn Sie durch den Kreis Wesel mit dem Fahrrad fahren, fahren Sie zum Teil an einer Kiesgrube neben der nächsten vorbei. Die Nachnutzungen, die hier ja jetzt ein bisschen stärker verankert werden, spielen oft keine richtige Rolle. Und Nachnutzungen wie die Schaffung von Badeseen, von denen es schon etliche gibt, bringen wenig. Das ist keine vernünftige Entwicklung für den Kreis.

Die Kiesabbauflächen müssen im Regionalplan verankert werden. Das ist uns völlig klar, ebenso dass es konkurrierende Interessen zur Nutzung der Flächen gibt. Zum einen wird Kies und Sand für Beton gebraucht, auf der anderen Seite besteht das Interesse an Landschaftsschutz und dem Erhalt an landwirtschaftlicher Flächen. Die beschriebenen Interessenskonflikte, das ist uns völlig klar, spielen auch bei anderen großen Planungsvorhaben eine Rolle.
Wir können auch feststellen, dass die Flächen, die jetzt im Regionalplan für den Abbau oberflächennaher Rohstoffe festgelegt werden, wie es fachlich heißt, gegenüber den Flächen, die in der 2. Offenlage aufgeführt worden sind, reduziert worden sind. Es waren damals 1163 ha, jetzt sind es 932 ha. Das ist aber nicht Ergebnis von, ich sage mal, freiwilligen Änderungen am Regionalplan. Diese Reduzierungen sind ein Ergebnis der Klage der Kommunen gegen den Landesentwicklungsplan vor dem Oberverwaltungsgericht. Dadurch mussten die Vorgaben im Landesentwicklungsplan geändert werden, was die Überarbeitung des Regionalplans zur Folge hatte und damit die Notwendigkeit der 3. Offenlage. Dadurch hat sich in einigen Orten auch tatsächlich etwas geändert, wie beispielsweise in Neukirchen-Vluyn. Aber in anderen Orten wie Alpen und Rheinberg hat sich überhaupt nichts verändert. Da ist der Umfang der Flächen für den Kiesabbau genauso groß wie vorher. Das heißt für uns: natürlich muss das Land handeln, wie auch schon manche hier vorher gefordert haben. Das Land muss endlich die gesetzlichen Regelungen für einen Degressionspfad auf den Weg bringen!

Aber aus unserer Sicht muss ich auch feststellen, dass der Regionalverband Ruhr bei der Berechnung des Bedarfs seinen Ermessensspielraum nicht vollständig ausgeschöpft hat. Der Regionalplan geht von einem Abbau in Höhe von 7 Millionen Kubikmetern Kies im Jahr aus. Der geologische Dienst hat zuletzt einen Abbau von 5,6 Millionen Kubikmeter pro Jahr ermittelt. Damit ist der Abbau tatsächlich gesunken. Auch in der letzten Untersuchung des Geologischen Dienstes, die erst vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, bestätigte sich dieser Rückgang. So hätte es tatsächlich mehr Ermessenspielraum ergeben, wenn man die neusten Zahlen zugrunde gelegt hätte.

Die Verwaltung hat auf diese Veränderung sicherlich auch deshalb nicht reagiert, weil eine erneute Änderung eine erneute Offenlage nach sich gezogen hätte. Das hätte eine weitere Verzögerung der Verabschiedung des Regionalplans mit sich gebracht. Aber man muss auch sagen, dass die Verwaltung ein bisschen vor der Kiesindustrie eingeknickt ist. Diese hat schon immer gemeint, dass sie zur Not auch gegen den Regionalplan klagen wird.

Der Regionalplan wird allerdings auch von anderen beklagt werden, denn es ist relativ klar, dass die betroffenen Gemeinden klagen werden. Wir sind der Meinung, dass mit der Verabschiedung des Regionalplans und dem Erlangen seiner Rechtskraft es jetzt möglich wird, rechtlich umstrittene Fragen nun auch endgültig zu klären. Dies ermöglicht der Rechtsstaat und dem müssen wir alle ins Auge sehen. Als Fraktion Die Linke gehen wir davon aus, dass die Ergebnisse solcher möglichen Rechtsstreite dann auch hier schnell umgesetzt werden.

Wir versuchen mit unseren Anträgen trotzdem, die jetzige Situation ein bisschen zu entschärfen und weisen darauf hin, dass ein wesentlicher Unterschied zu den Begleitanträgen der anderen Fraktionen darin besteht, dass wir uns verbindlichere Festlegungen und eine Priorisierung von Flächen wünschen.

Eins ist doch klar, was man aus dem Kreis Wesel hört: Die Kiesindustrie steht jetzt schon Gewehr bei Fuß, um Flächen zu kaufen oder hat sie zum Teil schon gekauft. So wird sie direkt nach der Verabschiedung des Regionalplans versuchen, Fakten zu schaffen und dann Anträge auf den Kiesabbau stellen. Wenn es da nicht wenigstens eine Priorisierung von Flächen gibt, indem man einmal nach Ergiebigkeit und andererseits nach konfliktarmen Flächen priorisiert, welche Handhabe haben die Kommunen dann bei ihrer Entscheidungsfindung eigentlich noch?
Und den Spielraum für die Genehmigungsbehörden im Kreis wollen wir mit unseren Begleitanträgen vergrößern und deshalb haben wir sie gestellt.
Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. Wir werden den Regionalplan nicht ablehnen, aber wir werden ihm auch nicht zustimmen.

Wir wollen, dass das möglichst schnell Rechtssicherheit geschaffen wird und wir wollen, dass die Region sich mit dem Regionalplan gut aufstellt und mit den absehbaren Änderungen dann etwas hat, was als Planungsinstrument lange hält.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit