DIE LINKE.im RVR: Reden

Wo steht das Ruhrgebiet – Was will der RVR? Kooperation der Städte muss endlich vorankommen! Rede von Wolfgang Freye zum Haushalt 2023

Fraktion DIE LINKE im RVR, Wolfgang Freye

Sehr geehrte Regionaldirektorin, sehr geehrter Herr Vorsitzender,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor einem Jahr hat ganz bestimmt niemand von uns damit gerechnet, dass auf die Corona-Krise der völkerrechtswidrige, durch nichts zu rechtfertigende Überfall Russlands auf die Ukraine folgt und eine Energiekrise und massive Inflation nach sich zieht.

Es gibt vor diesem Hintergrund gute Nachrichten, über die sich alle freuen, wie die, dass das Ruhrgebiet schon heute eine führende Rolle bei der Entwicklung von Wasserstofftechnologien spielt und damit bei der Entwicklung erneuerbarer, nachhaltiger Energien insbesondere für die große Industrie.

Andere Nachrichten und Meinungen zum RVR führen zu kontroversen Diskussionen. Am 14.11. konnte man im Pressedienst gleich zwei völlig gegensätzliche Positionen lesen: Die WAZ titelte mit der Schlagzeile „Ruhrgebiet plant Neuauflage der Bauausstellung“ und berichtete über entsprechende Aussagen des Verbandsversammlungsvorsitzenden, die zu einer längeren Diskussion im letzten Verbandsausschuss führten. Die renommierte Wochenzeitung „DIE ZEIT“ war mit dem Artikel am Start: „Ruhrstadt – Das Ende des Ruhrgebiets“. Darin vertritt der Architekt und Unternehmensberater Thomas Sevcik die Position, dass die Städte im Ruhrgebiet sich eigenständig aufstellen, auf ihre eigene Geschichte vor der Industrialisierung beziehen und vom „Ruhrgebiets-Mythos“ lösen sollten.

Man kann diesen Artikel sicherlich recht einfach abtun, denn besonders tiefschürfende Kenntnisse von der Entwicklung des Ruhrgebietes kann man dem Autor nicht nachsagen und seine Schlussfolgerung – „Das Ruhrgebiet muss sich abschaffen, um erfolgreich zu sein.“ – hält die Fraktion DIE LINKE für völlig falsch. Sie widerspricht auch der von ihm selbst erwähnten Tatsache, dass auch Regionen wie das Rhein-Main-Gebiet sich immer mehr regional aufstellen, wenn auch um Zentren herum, die es im Ruhrgebiet so nicht gibt.

Wenn der Autor jedoch feststellt: „Die Städte an Ruhr und Emscher handeln dann allein, wenn sie zusammenarbeiten sollten und verstecken sich dann ängstlich hinter dem Ruhrmythos, wenn sie ihre eigenen Stärken und Zukunftsentwürfe entwickeln müssten …“ so ist das nicht ganz von der Hand zu weisen – vor allem, was die Frage der Zusammenarbeit angeht. Denn man muss doch feststellen: Das RVR-Gesetz ermöglicht seit Jahren eine engere Kooperation der Städte und die Übertragung von Aufgaben auf den RVR – und passiert ist nicht viel.

Bereits 2020 hat die Gemeinde Prüfungsanstalt (GPA) Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Ruhr-Kommunen und die Übertragung von Aufgaben an den RVR untersucht. Ranger-Einsatz und gemeinsame Forstverwaltung, Unterhaltung des Radwegenetzes, ein gemeinsamer Kulturfonds, Kompetenzcenter EU-Beihilferecht, Klimakompetenzzentrum, eine regionale Statistikstelle, eine Ressouorceneffiziente Gewerbegebietentwicklung und – man höre – die „Bündelung der Bäderbetriebe mit regionaler Bedeutung“ gehörten zu den TOP 25-Vorschlägen.

Sicherlich, die EU-Abteilung hat der RVR in den letzten Jahren erheblich ausgebaut, aber in allen größeren Städten gibt es Parallelstrukturen, genauso wie bei der Wirtschaftsförderung und erst recht den Bädern, bei denen wir es bis heute noch nicht mal geschafft haben, alle Revierparks unter das Dach der fmr zu hüten.

Und wenn man angesichts dieser TOP-Vorschläge der GPA die Vorschläge der Oberbürgermeister liest, die dem RVR die Ausstellung von Jagd- und Fischereischeinen übertragen wollen, bleibt einem das Lachen im Halse stecken.

Aus unserer Sicht müssen wir hier endlich weiterkommen, und statt eine Aufgabenkritik einzuleiten, die vor allem Beteiligungen in Frage stellen soll und sich um die Umlage sorgt, wie die Große Koalition das mit einem ihrer erst vor drei Tagen eingereichten Haushaltsanträge will, sollte ein Klärungsprozess in Richtung Übertragung von zusätzlichen Aufgaben ein Schwerpunkt im nächsten Jahr sein. Hier müsste sich der Kommunalrat endlich bewegen und jede*r Oberbürgermeister*in sollte seine bzw. ihre Kirchtürme hinter sich lassen.

Denn wir sind überzeugt davon, dass die Region die Zusammenarbeit verstärken muss und in der weltweiten Konkurrenz von „Regionen“ nur gemeinsam eine Chance hat. Das gilt auch für die Transformation der früher dominanten und heute weitgehend weggebrochenen Montanindustriellen Strukturen in neue, zukunftsfähige. Diese Transformation ist nicht abgeschlossen, wie der oben zitierte Artikel meint. Das zeigt aktuell die dramatische Situation von HKM in Duisburg, das zeigen die großen Brachflächen, die auf neue Entwicklung harren und das zeigen nach wie vor Spitzenpositionen bei Langzeiterwerbslosigkeit und Armut.

Die Internationale Gartenausstellung (IGA) ist das nächste große Ziel der Region, wobei es noch ein dorniger Weg zum Erfolg der Gartenausstellung ist, die ja keine Blümchenschau werden soll, sondern mal unter dem Motto startete „Wie wollen wir leben?“ und danach müssen wir neben der gemeinsamen Klimapolitik, wo der RVR jetzt schon wichtige Dienste für die Region leistet, wie die Klimaanalyse gezeigt hat, tatsächlich über neue Projekte nachdenken, wie sie Herr Dr. Dudda skizziert hat.

Ein Nachfolgeprojekt für die IGA oder auch ein „Bauhaus“, das sich die neue Landesregierung zum Ziel gesetzt hat, müsste allerdings gründlich geplant werden und ist nicht mal eben so zu machen. Die Regionaldirektorin hat uns zugesichert, dass sie im ersten Quartal 2023 den Vorschlag aus dem Verbandsausschuss aufgreifen will und einen Workshop zum Thema organisieren will, um greifbarer zu formulieren, worum es uns geht. Ein solches Projekt ist nicht allein vom RVR zu „stemmen“, auch die Internationale Bauausstellung wurde von Land, Bund und EU getragen, die heute sicherlich eine noch größere Rolle haben könnte und müsste.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir brauchen eine Strategiedebatte im RVR und ich habe zum Teil den Eindruck, dass zurzeit nicht immer klar ist, wie wir uns aufstellen wollen und die Große Koalition immer mehr dazu übergeht, nur noch zu verwalten, was da ist. Auch bei dem für die Region großen Thema ÖPNV gibt es erhebliche Widerstände, zum Teil einfach dagegen, dass der RVR sich damit überhaupt damit befasst. Dabei könnte der RVR mehr als ein regionales Radwegenetz planen und bauen. Er könnte auch Träger der bisher 17 kommunalen Verkehrsgesellschaften im Ruhrgebiet sein und das sollte nach dem beschlossenen gemeinsamen Nahverkehrsplan auch thematisiert werden.

Mit unseren Haushaltsanträgen thematisieren wir wieder einige Projekte, die uns am Herzen liegen. Aus unserer Sicht sollten alle Anträge einzeln abgestimmt werden, denn es gibt teilweise ähnliche Anträge oder Anträge anderer Fraktionen, denen wir zustimmen würden.

In bestimmten Bereichen beantragen wir einige zusätzliche Personalstellen, u.a. für die Bäderstrukturentwicklung, bei der der RVR seit Jahren nichts mehr hat, und für die Entwicklung eines Aktionsprogramms Kiesabbau-Folgelandschaften. Was die Beschäftigten angeht, wollen wir auch die verstärkte Umwandlung befristeter Stellen in unbefristete. Denn die Anzahl der befristeten Stellen ist mit 76 von rund 500 Stellen hoch und seit dem letzten Jahr sogar noch gestiegen. Sie sind im wesentlichen projektgebunden, aber nicht nur.

Und angesichts der erheblichen Probleme aller Kommunen, überhaupt qualifiziertes Personal zu finden, regen wir auch wieder ein Ausbildungsnetzwerk an. Der RVR muss gute Arbeit für die Region machen und er muss ein guter Arbeitgeber sein – diese Ziele treiben uns weiter um!