Caren Lay – Rede: Wohnen bezahlbar machen

Herzlichen Dank für die Einladung. Sehr schön, dass es möglich ist, auch online an der Veranstaltung teilzunehmen.

Bei meinem Vortrag habe ich mich auf die bundespolitische Sicht fokussiert und glaube, dass das ein Stück weit auch notwendig ist, denn der Mietenwahnsinn, die Tatsache, dass Wohnungen fehlen, ist ja ein Phänomen, was sich nicht nur auf Essen, nicht nur auf das Ruhrgebiet, begrenzt, sondern - das ist auch in den vorangegangenen Vorträgen schon angeklungen - natürlich ein bundesweites Phänomen darstellt und auch bundesweite Ursachen hat.

Man kann sagen, dass das Thema „Steigende Mieten in Deutschland“ alle Regionen betrifft.

Sie sollten gleich eine Folie sehen, auf der exemplarisch die Anstiege von Mieten dargestellt werden. Wir haben einige Städte ausgewählt und sehen, dass es zwar regionale Unterschiede gibt, was den Anstieg anbelangt, aber dass es dennoch alle Städte in der Republik betrifft, inzwischen auch viele kleinere Städte, sowohl Städte in Ostdeutschland als auch Städte im Ruhrgebiet. Also auch dort, wo man vor ein paar Jahren noch geglaubt hat, dieses Problem nichtzu haben.

Es hat in den Metropolen angefangen, aber inzwischen ist das ganze Land davon betroffen. Berlin ist eine Stadt, die schon in der Vergangenheit einen großen Anstieg hatte. Bereits die Ankündigung des Mietendeckels hat dazu geführt, dass die Mieten dort anders als in allen anderen Bundesländern nicht mehr gestiegen sind. Das hat natürlich dort auch mit einem vormals niedrigen Niveau zu tun. Da konnten die Mieten stärker ansteigen als in München, Frankfurt und Hamburg, wo es schon immer sehr teuer war. Nichtsdestotrotz findet dieses Phänomen auch dort statt und zwar vor allen Dingen natürlich bei den Angebotsmieten, also bei den neuangebotenen Mietverträgen. Durch die Dynamik des Mietspiegels ziehen dann irgendwann auch die Bestandsmieten über die Mietspiegel, der ja ein faktischer Mieterhöhungsspiegel ist, da ja dann die Bestandsmieten auch ansteigen.

Ursachen des Mietenwahnsinns ist auch Ergebnis von Spekulation.

Mir ist es wichtig, dass wir als LINKE zumindest davon ausgehen, dass dort nicht nur der Zuzug in die Städte, die Landflucht und die geringe Bautätigkeit die Ursachen sind. Wie wir wissen, wird die Mainstreamdiskussion häufig auf diese Punkte verkürzt. Dabei ist das Problem aus meiner Sicht ganz klar auch das Ergebnis von Spekulation, die begünstigt wurden durch die Abschaffung der Gemeinnützigkeit im Jahr 1989 und den darauf folgenden Privatisierungswellen in den Nullerjahren sowie den Finanzmarktderegulierungsgesetzen, die Rot-Grün während ihrer Regierungszeit erlassen hat. Dazu gehören: Finanzialisierung des Wohnungsmarktes, große Hedgefonds, die auf den Markt gedrängt sind, und die großen Wohnungskonzerne, denen man im Grunde auch den Weg geebnet hat durch diese Privatisierungswellen. Das alles hat also dazu geführt, dass es auf dem Wohnungsmarkt nur noch darum geht, Geschäfte zu machenund eben nicht mehr ums Gemeinwohl.

Und da sehen wir auch die Hauptursachen für diese rasanten Mietenanstiege. Es geht nicht nur nominal darum, dass die Mieten in München noch teurer sind als die in Essen. Das kann ja überhaupt nicht der Maßstab sein – in Essen gibt es wahrscheinlich auch deutlich geringere Löhne und Einkommen als in München. Der Maßstab muss natürlich immer auch das Einkommensniveau der jeweiligen Stadt sein.

Wir sind früher immer davon ausgegangen, - und das gilt in der Wohnungspolitik und zum Teil auch in der Rechtsprechung als das Maß - dass man nicht mehr als 30% des Einkommens für die Miete ausgeben sollte. Da haben wir – nach meinen Informationen – inzwischen auch in Essen z.B. eine ähnliche Problematik, dass nämlich die Bestandsmieten dort innerhalb von fünf Jahren um 15% gestiegen sind. Also vermutlich deutlich stärker als sich die Einkommen und die Löhne erhöht haben. Auch dort haben die Menschen inzwischen eine sehr hohe Belastung mit Mieten, geben also mehr als 30% des Einkommens für das Wohnen aus. Das ist in Essen schon bei über 40% der Bürgerinnen und Bürger der Fall.

Man darf auch nicht vergessen, dass die Finanzwelt, die hinter diesem ganzen Mietenwahnsinn steht, nun offenbar sagt, dass in München, Berlin und Hamburg, kaum mehr investiert werde, da komme man nicht mehr weiter mit den Mietzahlungen. Aber in Ostdeutschland, im Ruhrgebiet, da könne man noch gut anlegen, da sei noch Luft nach oben. Insofern gibt es da keinerlei Entwarnung, sondern es ist sehr richtig, dass da jetzt vor Ort, aber vor allem auch landes- und bundespolitisch geschaut wird, was man tun kann, damit sich nicht irgendwann überall ähnliche Verhältnisse ergeben werden.

Ich will nur kurz erwähnen, dass natürlich auch die Corona-Krise auf viele Mieterinnen und Mieter durchschlägt oder auch in der nächsten Zeit durchschlagen wird, da es zu erheblichen Einnahmeausfällen gekommen ist.

Wir fordern: Kein Wohnungsverlust durch Corona-Maßnahmen

Auf der nächsten Folie haben wir kurz zusammengefasst, was wir jetzt in der Corona-Krise fordern. Das Wichtigste ist, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht durch Zahlungsschwierigkeiten, in die sie geraten sind, ihre Wohnungen verlieren. Das Kündigungsmoratorium, das wir gefordert und begrüßt haben, wird allerdings Ende Juni auslaufen. Aus unserer Sicht werden sich die Einnahmeausfälle fortsetzen und viele Menschen werden die Mieten nicht mehr zahlen können. Gerade diejenigen, die jetzt schon 40 - 50% ihrer Einnahmen für die Wohnung ausgeben, werden bei einem weiteren Einnahmeausfall in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten kommen. Das wollen wir verhindern. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen wegen der Corona-Maßnahmen nicht ihre Wohnungen verlieren. Deswegen brauchen wir ein verlängertes Kündigungsmoratorium – mindestens noch für die nächsten drei Monate. In der Corona-Krise darf niemandem die Wohnung gekündigt werden. Auch sollten die Mieten in dieser Zeit nicht erhöhen werden. Stattdessen muss den Mieterinnen und Mietern die Möglichkeit eröffnet werden, in ihren Wohnungen bleiben zu können, entweder über eine Wohngeldlösung oder auch über eine Mietsenkung.

Die nächste Folie, die mir sehr wichtig ist, zeigt den Niedergang des Sozialen Wohnungsbaus.

Wir haben jetzt mal dargestellt, wie sich der Soziale Wohnungsbau von 1990 bis heute entwickelt – von dem Zeitpunkt an also, als die Wohngemeinnützigkeit als Prinzip auf dem Wohnungsmarkt abgeschafft wurde. Von ehemals drei Millionen Sozialwohnungen existieren nur noch knapp über eine Million und der Trend ist negativ. Warum ist der Trend negativ? Zum einen gab es durch die Gemeinnützigkeit wenig Anreize, in eine gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft zu investieren. Zum anderen muss man allerdings auch sagen, dass die Grundgesetzänderung von 2006, die Föderalismusreform, die den Sozialen Wohnungsbau an die Länder abgegeben hat, auch zum Niedergang des Sozialen Wohnungsbaus beigetragen hat.

Ich teile nicht die Auffassung der Bundesregierung, die immer meint, die Länder seien schuld. Ich meine, der Bund hat sich auch einen schlanken Fuß gemacht, indem er gesagt hat, die Länder seien schuld und den sozialen Wohnungsbau mit einer – ich glaube, wir können das als Wohnungspolitiker bewerten – geradezu lächerlichen Summe von 500 Millionen Euro im Jahr bundesweit gefördert hat. Da gibt die Stadt Wien allein mehr Geld im Jahr aus als die Bundesrepublik Deutschland für ein 80 Millionen-Einwohnerland. Das ist zwar im Zuge der Flüchtlingsdiskussion noch mal erhöht, dann aber im letzten Jahr gleich wieder reduziert worden. Das Ergebnis ist, dass die Neubauzahlen wieder sinken und irgendwann aus der Bindung fliegen und wir damit einen eingebauten Niedergang des Sozialen Wohnungsbaus haben. Man kann da überhaupt nicht mehr hinterher bauen. Das heißt, wir brauchen eigentlich ein anderes System, nämlich eine Gemeinnützigkeit, die festlegt, wie es eben in Wien der Fall ist: einmal gefordert, immer gebunden. Also dort, wo erst einmal eine Wohnung gefordert wurde, muss dies verbunden werden mit einer dauerhaften Sozialbindung.

Möglichkeiten vor Ort durch Erbbaurecht I

An der Stelle möchte ich erwähnen, dass sich auch ein paar Möglichkeiten vor Ort ergeben. Dieses dauerhafte Binden von Sozialwohnungen geht nur über zwei Wege. Das eine ist über die Etablierung einer neuen Wohngemeinnützigkeit auf Bundesebene. Das ist unsere Forderung. Das Bundesverfassungsgericht hat vor einer Weile geurteilt, dass es noch eine zweite Möglichkeit gibt, die Grundstücke über Erbbau vor Ort zu vergeben. Eine dauerhafte Bindung von Sozialwohnungen unter der gegenwärtigen Rechtslage– also ohne Wohnungsgemeinnützigkeit – geht eigentlich nur auf diesem Weg, nämlich, indem die Kommunen die Grundstücke in Erbbaupacht vergeben und über dieses Erbbaurecht auch die Bedingungen definieren. Da ergibt sich aus meiner Sicht eine interessante Anknüpfungsmöglichkeit für eine kommunale soziale Wohnungspolitik. Das Urteil ist etwa ein ¾-Jahr alt. Also das wäre etwas, was man auch vor Ort diskutieren kann. Wie ist es möglich, über Erbbaupacht dauerhaft den Bestand von Sozialwohnungen zu sichern? Das setzt natürlich auch eine andere Bodenpolitik voraus.

Im letzten Jahr ist die Anzahl der neugebauten Sozialwohnungen bundesweit wieder um 5% zurückgegangen. Wie gesagt – es gab von Bundesseite aber auch weniger Fördergelder – auch in NRW ergibt sich ein Rückgang von 11%. Und ich hab mir die Zahlen für NRW noch einmal herausgesucht: 1998 gab es in NRW noch eine Million Sozialwohnungen – jetzt sind es nur noch knapp die Hälfte. Auch dort gibt es einen jährlichen Rückgang von Sozialwohnungen.

Bei allen Schwächen des bisherigen Programms „Sozialer Wohnungsbau“ – das können wohl alle erfahreneren Wohnungspolitiker und Wohnungspolitikerinnen bestätigen, ist natürlich keine Sozialwohnung auch keine Lösung in dieser angespannten Situation, wo Leute mit geringem Einkommen nicht mehr wissen, wie sie noch eine Wohnung finden. Dafür braucht es dann eben auch vom Bund Sozialwohnungen.

Was fordern wir jetzt konkret auf Bundesebene? Bauen und Kaufen von Wohnungen

Das eine ist ein Wohnungsbauprogramm nach Wiener Vorbild verbunden mit der Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit. Wir haben dort ein 10-Milliarden-Programm vorgeschlagen. Wenn ich das im Bundestag gefordert habe, im Gegensatz zu den 1 oder 1,5 Milliarden, die es bis jetzt gibt, hat man mich ausgelacht. Das sei ein Wolkenkuckucksheim, das die LINKE da fordert. Angesichts der jetzigen Rettungsprogramme, die wir gerade in der Corona-Krise diskutieren, angesichts der horrenden Ausgaben für die Rüstung, kommt mir das als ein geradezu sparsamer Vorschlag vor. Wir wollen also, dass tatsächlich neue Sozialwohnungen entstehen, die übrigens meiner Auffassung nicht nur durch Neubau, sondern auch durch den Kauf von Wohnungen realisiert werden können. Alle Welt investiert in Wohnungen und in Immobilien. Die Investoren sagen, die Immobilien arbeiten ja für mich. Eigentlich müssten die Kommunen aus meiner Sicht in deutlich stärkerem Maße sagen: Wir bauen selbst und wir kaufen eben auch, um natürlich auch die Mietentwicklung moderat zu halten. Und wir investieren – und dazu müsste man die Investitionskraft  der Kommunen stärken.

Des Weiteren würde ich mir auch vor Ort wünschen, dass es ein Umdenken gibt. Wir sollten uns auch die Städte zurückkaufen und dafür unseren Bürgerinnen und Bürger dauerhaft das Mietniveau sichern. Nicht nur für die, die dann in der Stadt wohnen können, sondern wir halten das Mietniveau auch insgesamt niedrig. Ja, wir wollen ja vor allem die Kommunen, Genossenschaften und gemeinnützige Träger unterstützen, auch unterstützen, wenn es zum Beispiel Rekommunalisierungsvorhaben gibt. Es ist sehr erfreulich, dass es ein Umdenken gibt. Das Denken geht mehr dahin, dass man nicht wieder privatisiert, jedenfalls nicht in den Städten – im Land ist es zum Teil noch anders. Aber der nächste Schritt wäre eigentlich zu sagen: Was können wir zurückkaufen von dem, was ursprünglich mal privatisiert wurde?Meine letzten Zahlen für die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus liegen im Jahr bei ca. 680 bis 700 Millionen Euro.

Zusammenfassung: Ursachen des Mietenwahnsinns

Man muss sagen, dass dieser Mietenwahnsinn eigentlich mehrere Ursachen hat, das eine ist die Abschaffung der Gemeinnützigkeit und die Einführung des profitorientierten Denkens. Die Finanzialisierung des Wohnungsmarktes hat der Spekulation den Weg geebnet. Das andere ist aber auch, dass viel zu wenig investiert wurde in Wohnungen. Das Investitionsvolumen war in der alten Bundesrepublik in den 1980-iger, also noch vor den 1990iger Jahren noch viel höher – gemessen am Gesamthaushalt. Der Staat hat einfach viel mehr investiert in den öffentlichen Wohnungsbau. Und das tut er auf allen Ebenen nicht mehr in diesem Maße.

Ausblick: Bodenpolitik, Bodenbevorratung, kooperative Baulandmodelle

Lassen Sie mich nur noch zwei Sätze anreißen: Wir brauchen natürlich auch eine andere Bodenpolitik. Das sind ja unsere bundespolitischen Forderungen, aber da haben die Kommunen auch viel Möglichkeiten, etwas zu machen, z.B. über Erbbaurecht, eine andere Liegenschaftspolitik, über eine Bodenbevorratung, wie es die Stadt Ulm macht, über kooperative Baulandmodelle, Also das sind alles Sachen, die auch die Kommunen machen können. Das fordern wir alles von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben BIMA und von der Bundespolitik und zu guter Letzt wollen wir natürlich auch, dass nicht mehr mit Wohnungen spekuliert wird.

Vereinfacht gesagt: Wohnen ist ein Grundrecht und keine Ware.

Zusammengefasst:

  1. Es braucht ein Sofortprogramm für bezahlbares Wohnen. In der Corona-Krise müssen auch Mietsenkungen möglich sein! Mindestens muss das Kündigungsmoratorium verlängert werden.
  2. Es braucht ein öffentliches Wohnungsbauprogramm nach Wiener Vorbild. Der Bund muss ein Rettungsprogramm für den sozialen Wohnungsbau aufsetzen anstatt zu kürzen!
  3. Es braucht eine Bodenreformdebatte, einen Bodenpreisdeckel und einen Bundesbodenfonds! Privatisierungen stoppen!
  4. Spekulation bekämpfen! Vonovia, Deutsche Wohnen und Co vergesellschaften!

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